Kleine Porzellankunde

Produkte, Preise und Prozesse – Kleine Porzellankunde

Obgleich es sich beim Frankenthaler Porzellan auch um Fabrikware handelte, gibt es doch bei den Geschirren und Figuren keine identischen Wiederholungen. Die einzelne
Ausmalung von Hand und das Zusammensetzen der Formteile ergab stets ein neues Einzelstück.

Geschichte

Das erste Porzellan (Hartporzellan) entstand im 7. oder 8. Jahrhundert n. Chr. in China. Die Rezeptur war ein streng gehütetes Geheimnis, das erst 1710 in Dresden gelüftet wurde (Ehrenfried Walther von Tschirnhaus und Johann Friedrich Böttger).

Grundstoff

Porzellan (italienisch porcellana, nach dem Name einer Meeresschnecke, porcella, mit rosa Schale) ist ein feinkeramisches Erzeugnis, das aus einem Gemisch von Kaolin (weiches, helles Tongestein), Quarz und Feldspat besteht und durch Brennen gefestigt wird. Dabei sind je nach Porzellantyp Temperaturen zwischen 1.000 und 1.450° C nötig. Ergebnis ist ein transparenter Scherben von größerer Dichte und Härte als bei Tonwaren, der beim Anschlagen hell klingt.

Außer dem Hartporzellan gibt es Weich- oder Frittenporzellan mit anders gemischten Grundstoffen, das bei niedrigeren Temperaturen gebrannt wird. Ein dritter Porzellantyp ist das
besonders weiße Knochenporzellan mit Zugabe von Knochenasche. Es ist härter als Weich-porzellan, hat aber eine geringere Dichte als Hartporzellan. In der Regel wird das vorgebrann-te Porzellan in einen Glasurbrei getaucht, wodurch im Glattbrand das typisch glänzende Porzellan entsteht, doch gibt es auch unglasiertes Porzellan, das als Biskuitporzellan bekannt ist.

Herstellung

Das kunsthandwerkliche Schaffen der Porzellanmanufaktur bestimmt der Modellmeister, der die plastischen Modelle in Ton, Wachs oder Holz (Bozzetto) entwirft, wonach die Hohlformen für den Guss der Porzellanmasse gefertigt werden. Der teure Rohstoff Kaolin musste sorgsam behandelt, das richtige Mischungsverhältnis eingehalten und – wegen der verschiedenen Hitzezonen des Brennofens – leicht variiert werden. Da Porzellan beim Brennen um bis zu 1/6 schwindet, muss dies beim Entwurf einkalkuliert werden.

Formen

Gipsform

Die Porzellanmasse (der Versatz) wird durch Pressen, Gießen oder Drehen geformt. Beim Pressen wird die weiche Porzellanmasse in Formen gepresst. Die so entstandenen Einzelteile können in getrocknetem Zustand mit flüssigem Porzellanschlicker aneinandergesetzt werden. Beim Gießen wird dünne Porzellan-masse in Hohlformen gegossen, die das Wasser absorbieren, so dass das dabei leicht einschrumpfende Werk-stück daraus entnommen werden kann. Beim Drehen wird die Porzellanmasse auf einer Töpferscheibe bearbeitet, um hauptsächlich rotations-symmetrisches Geschirr herzustellen.

Bossieren

Zur Hauptaufgabe des Bossierers gehört es, die mit den Formen hergestellten Figureneinzel-teile nach Vorgaben eines Modells zu verbinden und plastisch auszuarbeiten. Vor allem hinterschnittene Formen sind beim Bossieren herauszuarbeiten. Verloren gegangene Modellierungen, bedingt durch den Arbeitsformenverschleiß, müssen nachgearbeitet werden und Teilchen, für die das Herstellen einer Hohlform zu aufwendig wäre (z. B. Gräser, Blätter, Trauben), frei hinzumodelliert werden. 

Dekorherstellung

Es gibt Farben für Unterglasur-, Aufglasur- und Inglasdekore. Unterglasurdekore gab es in Deutschland ab 1730. Die Malerei wird vor dem Glasieren aufgetragen. Als Farbe stand zunächst nur Kobaltblau, später auch Rot (Mangan) zur Verfügung. Das Aufglasurdekor wird nach dem Glattbrand aufgetragen und kann in einer vielfältigen Farbpalette erfolgen. Inglasdekor ist im Gegensatz zu den Aufglasurdekoren viel widerstandsfähiger ("spül-maschinenfest") und eine neue Weiterentwicklung der Glasuren.


Produktionspalette: Geschirre, Gruppen, Figuren und Galanterien

Suppenterrine

Ein Tafelgedeck für 12 Personen konnte mit allem Zubehör leicht über 140 Einzelteile umfassen bis hin zu Salz- und Senftöpfchen, Butterdosen und Saucièren. Natürlich konnte dies alles auch als Service double für 24 Personen gekauft werden.

Kaffee- oder Teeservice gab es ebenfalls für 12 oder 24 Personen, sie bestanden aus Tassen mit und ohne Henkel, hohen Schokoladen-Tassen, unterschiedlich großen Kaffee-, Tee- und Milchkannen, Sahnegießern, Zuckerdosen, Teeflaschen und Zuckerplatten. 

Eine Spezialität des 18. Jahrhunderts stellte das Frühstücksgedeck  (Dejeuner) für ein oder zwei Personen dar (Soli-taire bzw. Tête-à-Tête). Diese aus Frankreich stammende Mode hat ihren Ursprung im ritualisierten morgendlichen Aufstehen (lever) des Königs, das bei Adel und Bürgern nachgeahmt wurde.

Aufbewahrung

Aufbewahrt wurden die wertvollen Speiseporzellane nicht in bewohnten Räumen, sondern in Kammern und Schränken der Küchenabteilung. Zu einer festlich gedeckten Tafel gehört-en auch Figuren und Figurengruppen, mit denen man die Mahlzeit unter ein bestimmtes Thema - Jagd, Landleben, Mythologie - stellen konnte. Da sie zum Tischdekor gehörten, fand man sie ebenfalls in den Schränken der Küchenabteilung und nicht, wie heute, in Vitrinen ausgestellt.

Dekor

Der Dekor von Geschirren war die Aufgabe der Malerstuben, unterschieden in Blau- und Buntmalerei. Der Obermaler bestimmte das künstlerische Gesicht der  Manufaktur. Viele Themen der  Malerei hatten ihre Vorlagen in mit Kupferstichen illustrierten Büchern oder Einzelblättern, zu denen auch Reiseberichte und botanische Werke gehörten.

Der langlebigste Dekor waren die Deutschen Blumen, die in der Frühzeit äußerst feinnervig vorkommen, dann immer Schablonenhafter werden und in Streublümchen enden. Ähnlich erging es den Indianischen Blumen nach ostasiatischem Vorbild. Ein bekannter Frankenthaler Dekor ist der Vogeldekor mit Spaliergitterrand. Er geht auf Sèvres-Vorbilder zurück und zeigt exotische sowie einheimische Vögel in farbenprächtigem Gefieder.

Preise

Unterteller der Blauen Ware

Am preiswertesten war die Blaue Ware mit gemeinen Indianischen oder Teutschen Blumen unter der Glasur. Es folgte das aufglasurfarbige Mittelgut mit einfarbigen oder bunten Blumen, dann kamen feine bunte Waren mit Vergoldung. An Dekormotiven konnte man auswählen: Blumen, Früchte, Vögel, Landschaften, Vieh- und Jagdstücke, Seeprospekte, Landschaften mit Figuren, Watteauszenen, Ovidische Figuren, Bataillen oder fliegende Kinder (Eroten, Putti).

Auch die Randverzierung bestimmte den Preis. Es gab braune und goldene Ränder, eine schmale oder breite Bordüre und den ganz breiten Mosaik-Rand. Kostete ein Kaffee-/Tee-Service für 12 Personen in einfacher, unterglasurblauer Blumenmalerei in zweiter Wahl 10 Gulden 38 Kreuzer, so steigerte sich dies bei extra feiner voller Malerei mit Darstellungen aus der antiken Mythologie und ganz breitem Mosaik-Rand auf 234 Gulden 45 Kreuzer. Bei 140-teiligen Speiseservicen für 12 Personen betrug die Steigerung von der einfachen Blumen-Blaumalerei zum farbigen Vogeldekor das Sechsfache, zu farbigen Jagdszenen das Acht-fache und zu farbigen Ovidischen Szenen das 12-fache.

Künstler

Im Lauf der Jahre waren bis zu 30 hervorragende Künstler in der Malstube tätig. Ganz selten signierten oder monogrammierten sie ihre Arbeiten. Beispielhaft zu nennen sind: Jacob
Osterspey (antike Mythologie), Bernhard Magnus (Bataillen), Christian Winterstein (Historien), Michael Appel (Landschaften), Michael Glöckle (Vögel), Andreas Handschuh (Blumen), Roth oder Wohlfahrt. Trotz der großen Schar guter Miniaturmaler darf man die Leistung der Blau-maler nicht übersehen, die mit sicherer Hand ihre Muster auf dem porösen Scherben an-brachten. Zwar orientiert sich der Rang einer Manufaktur an den Spitzenstücken, aber der größte Umsatz dürfte mit der Blauen Ware erzielt worden sein.

Themen

Jagdszene mit zur Strecke gebrachtem Hirsch und Jagdhund

Zu einer kompletten Festtafel gehörte außer den erwähnten Figuren ein Tafelaufsatz als Mittelpunkt. Die hauptsächlichen Tafelthemen, zu denen die entsprechende Figurenplastik geschaffen wurde, waren die Chinoiserie (fernöstlicher, exotischer Zauber), der fürstliche Zeitvertreib (Jagd, Schäferspiel, Komödie, Theater), die Antike (sagenhafte Götterwelt), die Allegorie (Monate, Jahreszeiten, Elemente, Erdteile, Künste, Tugenden, Wissenschaften) sowie dasso genannte einfache, ideale Leben (Bauern, Berufe, Familie, Kinder).

Einkommen der Porzellaner

Das Personal wurde für damalige Zeiten recht gut bezahlt. Der Direktor hatte ein Monats-einkommen von 80 Gulden, dazu freie Wohnung mit Garten, Brennholz, Licht, Getreide und Wein. Sein Stellvertreter erhielt 42 Gulden, freie Wohnung und Naturalien, Modellmeister und Bossierer etwa 30 bis 40 Gulden, Buntmaler je nach Können 25 bis 30 Gulden, Blaumaler 15 bis 20 Gulden, Former und Dreher ca. 15 Gulden, Glasierer, Brenner ca. 12 Gulden, Stampf-müller, Holzmacher, Tagelöhner 10 Gulden oder weniger.

Nicht immer gab es in der Manufaktur regelmäßiges Einkommen. Im Jahr 1780 war ein Lohnverzug von 10 Monaten entstanden, was erhebliche Probleme verursachte. Bei der Fabrikbelegschaft werden in der Literatur meist zu hohe Zahlen genannt, weil man damals die Ehefrauen, Witwen, Söhne, Töchter und Mägde als zur Manufaktur gehörig betrachtete. Nach einer Beschäftigungsliste aus dem Jahre 1771 waren demnach 278 Personen von der Manu-faktur abhängig. Tatsächlich gearbeitet haben jedochnur 69 Leute. Selbst in den Zeiten der Vollbeschäftigung kommt man höchstens auf etwa 100 Personen.

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Fabrikmarken

Wechselnde Signets kennzeichnen die Geschichte des Frankenthaler Porzellans in seiner 45jährigen Geschichte während des 18. Jahrhunderts.


Übergangsphase von Straßburg nach Frankenthal

Manche Porzellane dieser Zeit besitzen keine Markierungen, die meisten Stücke erhielten jedoch das einfache PH für Paul Hannong sowie ein F für Frankenthal (1-5).

Das kurfürstliche Wappen

Ab 1755 wählte man anfangs die Rauten aus dem Wittelsbacher Hauswappen und malte sie nach dem ersten Verglühbrand von 800° C in Kobaltblau als Fabrikzeichen auf die Stücke
(6-8). Um eine Verwechslung mit der bayerischen Manufaktur in Nymphenburg zu vermeiden, ging man jedoch nach etwa drei Monaten zum unterglasur-blauen, heraldisch nach rechts gewandten, steigenden kurpfälzischen Löwen über (9, 10).

Joseph Adam Hannong

Neben der Löwenmarke verwendete Joseph sein persönliches unterglasurblaues ligiertes Monogramm JAH.

Wechsel zur Staatsmanufaktur

Von 1762 bis 1794 sowie von 1795 bis 1797 wurde das CT-Monogramm unter dem Kurhut in Unterglasurblau aufgemalt (16-20). Bis zum Jahre 1775 findet man als zusätzliche Marke oft das ligierte AB oder B des Direktors Adam Bergdold und die arabischen Zahlen 1 bis 7 bzw. römisch I bis VIII  in Unterglasurblau als weitere Beizeichen (17, 18).

Um 1765 kommt bereits eine große CT-Marke mit einem Punkten darunter vor, was wohl in den 1780er Jahren wieder aufgenommen wurde und durch zwei bzw. drei Punkte zuweilen ergänzt wurde (20).

Seit 1766 scheint die Endziffer der Jahreszahl aufgetragen worden zu sein (18) und ab 1771 bis 1789 wurden in der Regel zur Fabrikmarke die Zahlen 71 bis 89 als Hinweis auf das Jahr der Porzellanmasse-Mischung angebracht (19).

Der letzte Manufaktur-Betreiber Johann Nepomuk van Recum ließ 1795 ein V, ein ligiertes PVR und von 1797 bis 1799 wohl ein ligiertes VR mit einem F für Frankenthal aufmalen
(21-25).

Weitere Zeichen

Neben den reinen Fabrikmarken kommt auf den Porzellanen auch eine Vielzahl weiterer Zeichen vor, die eingeprägt, eingeritzt, unterglasurblau, farbig in Aufglasur (Malermarken) oder in Gold sein können.

Bekannt sind beispielsweise die folgenden Bossierer- und  Dreher-Pressmarken:
MO für Michael Offenstein, DL für David Lincker, AC Adam Clair.

Auch vollständig eingepresste Namen wie Legrand, Marx, Niebergall oder Rohr sind bekannt.

Hinzu kommen Ritzzeichen wie HIIO, die den Porzellanern Auskunft über die Massenmischung gaben, jedoch noch nicht ganz entschlüsselt sind (Claus Reimann).